Alltagstraining als Schlüssel für ein neues Leben

Das Alltagstraining ist ein Angebot der Sozialen NeuroRehabilitation am Standort Kapfenberg und soll Menschen dabei unterstützen, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen.

Aus Sicht Betroffener sind therapeutische Hilfen, die sich nach der Klinikentlassung auf Krankheitsbewältigung, soziale Teilhabe, die selbständige Bewältigung der Aktivitäten des täglichen Lebens und die Hilfsmittelversorgung richten, oftmals schwer zu organisieren. Genau hier setzt das Alltagstraining der Sozialen NeuroRehabilitation (SNR) an.

Für wen ist das Alltagstraining besonders wichtig?

Alltagstraining ist immer wichtig, wenn starke kognitive oder motorische Einschränkungen bestehen. Wenn sich Betroffene im Alltag zunehmend hilflos fühlen und Angehörige überfordert sind, wird externe Hilfe gesucht. Manche Kund:innen überspielen als Selbstschutz ihre Situation, weil sie damit kämpfen das Ausmaß ihrer Einschränkungen annehmen zu können. Ein Alltagstraining kann somit Jahre nach der Erkrankung beginnen, andere starten gleich im Anschluss an die medizinische Rehabilitation.

Was ist besonders am Alltagstraining in der SNR?

Im Unterschied zum ambulanten Einzelsetting bieten wir alle Trainings- und Therapiemodule in der Tagesstruktur und im Wohnbereich. Die zu Beginn durchgeführte NeuroDiagnostik liefert die Trainingsschwerpunkte. Im Zeitverlauf können wir über 12 Monate täglich üben und adaptieren. Fakt ist: „Jeder braucht etwas Anderes“. Standardisierte Programme sind bei uns nicht zielführend.

Bei welchen Problemen hilft das Alltagstraining?

Bei vielen Hirnerkrankungen sind Merkfähigkeit, Arbeitsgedächtnis und kognitive Flexibilität stark beeinträchtigt, sodass Betroffene oft in Handlungsschleifen „stecken bleiben“. Wir arbeiten intensiv am Wiederaufbau von Handlungsplänen und Handlungsroutinen. Bei Problemen der räumlichen Orientierung müssen kurze Wege z.B. vom Schulungsraum zur Toilette oder zum Buffet über viele Wochen eingeübt werden. Auch beim Einkaufen klären wir viele Fragen im Vorfeld und üben Teilschritte. Aber auch das Umdenken (kognitive Flexibilität) kann alltagsnah trainiert werden. Zum Beispiel das Herrichten der Kleidung und Anziehen am Morgen, wenn das Wetter heute anders ist als gestern, stellt oftmals eine Herausforderung dar. Häufig sind es auch persönliche Ängste und Selbstwertprobleme, die den Alltag erschweren. Ein Kunde hat aufgrund seiner Epilepsie eine starke Angstsymptomatik entwickelt hatte. In der gemeinsamen Arbeit konnte er diese Schwierigkeiten überwinden und ist mittlerweile am 1. Arbeitsmarkt tätig.

Nach welchen neuropädagogischen Grundsätzen arbeitet die SNR?

Am Anfang ist wichtig herauszufinden, welcher Schlüssel zu welcher Person passt, wie kann man individuell zum Menschen durchdringen und Alltagsroutinen spielerisch aufbauen. Unser „Konzept der konditionierten Handlungen“ beinhaltet das „Lernen am (sozialen) Modell“, das „Lernen am wiederholten angeleiteten Tun“ sowie die oftmalige Bestärkung des angestrebten Verhaltens (Operantes Konditionieren). Bezüglich Kompetenzerwerb bedeutet dies, dass beim Modelllernen ein beobachtetes Verhaltensmuster durch ständige Wiederholung im Gedächtnis neu gespeichert wird. Eine positive Verstärkung erhöht die Wahrscheinlichkeit der Abspeicherung im Gehirn und die Bereitschaft, das erlernte Verhalten zu zeigen. Die Vorgabe einer Handlungs- und Zeitstruktur sowie Verhaltensrückmeldungen (qualifiziertes Feedback) geben Orientierung. Lernen ist dann noch besser möglich.

Was ist das Ziel des Alltagstrainings?

Leben nach der Uhrzeit, Aufstehen, Körperpflege, Essen, die Pflege von sozialen Kontakten und Beziehungen sowie die Organisation der Freizeit – all das kann Bestandteil von individuellem Alltagstraining sein. Hauptziel ist die Wiederherstellung der Lebensfreude und Selbstwirksamkeit. Wenn es möglich ist bestimmte Wegstrecken alleine zu bewältigen, in ein Kaffeehaus oder eine Wurstsemmel einkaufen zu gehen, bedeutet das viel an individueller Freiheit. Nach dem Jahr hier bei uns, muss klar sein, ob der:die Betreffende selbständig leben und beruflich tätig sein kann oder welche weiterführenden Hilfen erforderlich sind.